Windstriche

  • Rolf Becker (1935–2025): Kunst als Widerspruch

    Mit Rolf Becker ist im Alter von 90 Jahren ein Künstler gestorben, der das Theater als Ort gesellschaftlicher Wahrheit begriff und dessen Biographie zeigt, welchen Preis eine solche Auffassung haben kann. Sein Tod bedeutet einen Verlust für die deutsche Theaterlandschaft ebenso wie für jene politische Öffentlichkeit, in der Kunst Haltung bewahrt. Wer ihm begegnete –

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  • Das verpasste Gespräch. Adorno, Sartre und die Aporie des Engagements

    I. Zwei Denker im Zwielicht des Jahrhunderts Es gibt im intellektuellen Leben des 20. Jahrhunderts Begegnungen, die nie stattgefunden haben und dennoch wie Gespräche wirken. Zwischen Adorno und Sartre verlief eine solche stumme Korrespondenz. Sie stehen an zwei Enden derselben historischen Erschütterung: Krieg, Faschismus, die Erfahrung radikaler Verletzbarkeit menschlicher Freiheit. Beide haben versucht, den Kunstwerken

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  • Seyla Benhabib und die Konstellation des Exils

    Zur Verleihung des Hannah-Arendt-Preis an Seyla Benhabib Dass Seyla Benhabib heute in Bremen mit dem Hannah-Arendt-Preis geehrt wird, markiert einen Moment, in dem biographische Erfahrung, philosophische Einsicht und politische Gegenwart zur Konstellation zusammentreten. Mit dieser Ehrung tritt ein Denken hervor, das aus den Brüchen des 20. Jahrhunderts hervorgegangen ist und im 21. Jahrhundert eine Sprache

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  • Der folgende Essay untersucht das Werk Jürgen Habermas‘ im Spannungsfeld zwischen der ersten Frankfurter Schule und der kommunikativen Wende. Habermas‘ frühe Arbeiten stehen noch in der marxistischen Tradition, analysieren die Öffentlichkeit als umkämpftes Terrain gesellschaftlicher Machtverhältnisse und verbinden politische Ökonomie, Psychoanalyse und kritische Theorie. Mit der Theorie des kommunikativen Handelns verschiebt sich sein Fokus auf

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  • Werner Sombart und die Physiognomie des Kapitalismus

    Es gehört zu den liebenswürdigen Idiosynkrasien der ökonomischen Literatur des frühen 20. Jahrhunderts, dass sie dort am hartnäckigsten spekulativ wird, wo sie glaubt, sich am festesten auf Tatsachen zu stützen. Werner Sombarts „Luxus und Kapitalismus“ ist ein solches Buch: ein gelehrtes Kuriosum, das in seiner Mischung aus kulturhistorischer Intuition, verstreuter Gelehrsamkeit und selbstbewusster Normsetzung so

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  • Hannah Arendt – Die Zerbrechlichkeit des Anfangs

    Ein Essay zum 50. Todestag Es gibt Denkerinnen, deren Werk jenseits des Alterns durch die nachträgliche Erschaffung seiner eigenen Gegenwart besticht. Hannah Arendt gehört zu ihnen. Ihre Begriffe sind keine Monumente der Überlieferung. Es sind vielmehr fragile Gebilde – fragil, weil sie sich weigern, das Kontingente ins Systematische zu überführen, weil sie dem Ereignischarakter des

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  • Eine kritische Lektüre Roland Barthes‘ Die Geschichte der modernen Ästhetik ist die Geschichte einer Befreiung, die in Entzauberung umschlägt. Roland Barthes hat mit der Öffnung des Zeichens, mit der Zerstörung seiner Autorität und der Entbindung seiner Bedeutungen jenen Akt vollzogen, der der bürgerlichen Kunst noch versagt blieb. Das Werk, das sich von seinem Schöpfer lossagt,

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  • Dialektik der Demokratie

    Zur Kritik der politischen Vernunft in der Gegenwart Vorbemerkung Dieser Essay entstand aus einer Unruhe. Während allerorts von der „Verteidigung der Demokratie“ die Rede ist, scheint mir, dass selten gefragt wird, was eigentlich verteidigt werden soll – und gegen wen. Die Gefahr kommt nicht nur von außen, von autoritären Bewegungen. Sie liegt in der Demokratie

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  • Das Tribunal als Talkshow

    Über Moral, Inszenierung und die Auflösung des Diskurses bei Markus Lanz Es gibt Momente im bundesdeutschen Fernsehen, in denen sich die Bewusstseinsindustrie in ihrer ganzen zynischen Brillanz offenbart. Der gestrige Abend bei Markus Lanz war ein solcher Moment – ein Lehrstück darüber, wie demokratische Öffentlichkeit nicht hergestellt, sondern systematisch demontiert wird. Was als Diskussionsformat angekündigt

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  • Vorbemerkung: Eine notwendige Klärung In einem jüngst in der WELT erschienenen Beitrag fordert Sahra Wagenknecht „eine konservative oder im Ursprungssinn rechte Agenda“ für das Bündnis Sahra Wagenknecht. Ihre Begründung: Die Begriffe links und rechts seien heute bedeutungslos geworden – links stehe mittlerweile nur noch für Identitätspolitik und Genderdiskurse, die von den materiellen Interessen der arbeitenden

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  • Vom Verlust der Negativität. Zur Entleerung der Kritischen Theorie

    Es gehört zu den bitteren Ironien der Geistesgeschichte, dass das Institut, das einst den Anspruch erhob, den Zusammenhang von Erkenntnis und Herrschaft freizulegen, heute selbst in jener Vernunft verstrickt ist, die es zu kritisieren vorgab. Die „Kritische Theorie“ – ursprünglich der Versuch, die Selbstzerstörung der Aufklärung in ihrer eigenen Bewegung begrifflich zu fassen – hat

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  • Herr Teste oder die Unmöglichkeit des Geistes

    Es gibt Bücher, die wie stille Explosionen wirken – nicht durch das, was sie sagen, sondern durch das, was sie entziehen. Paul Valérys Monsieur Teste gehört zu diesen seltenen Texten. Er steht am Beginn der Moderne wie ein überhelles Experiment, das seine eigene Dunkelheit nicht verleugnen kann. In ihm spricht kein Mensch, sondern der Gedanke

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  • Das Maß des Fragilen. Giacometti und die Wahrheit der Unvollkommenheit

    Wenn man vor Alberto Giacomettis Figuren steht, überfällt einen ein merkwürdiges Gefühl der Distanz – eine Distanz, die nicht Kälte ist, sondern Abgrund. Sie stehen da, wie eingefrorene Schatten, aus der Welt gefallen und doch durch sie hindurchgegangen, als hätten sie eine Schwelle überschritten, die wir noch vor uns haben. Kaum eine andere Kunstform des

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  • Die Kritische Theorie entstand aus der Erfahrung, dass Aufklärung in Barbarei umschlagen kann, wenn Vernunft sich in Herrschaft verwandelt. Aus der Katastrophe des europäischen Antisemitismus erwuchs der Imperativ, jede Form politischer Gewalt und Diskriminierung zu verurteilen – gleichgültig, von wem sie ausgeht. Nach Auschwitz darf keine Macht sich der Kritik entziehen, am wenigsten jene, die

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  • Das Verstummen des Denkens: Über die Kultur der Unaufmerksamkeit In einer Zeit, in der Information allgegenwärtig und Denken selten geworden ist, zeigt sich die Krise der Aufklärung in einem neuen Gewand. Was früher das Buch war – ein Ort konzentrierter Erfahrung –, ist heute vom endlosen Strom digitaler Reize überlagert. Das Bedürfnis nach Komplexität wird

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  • Vom Zweifel an der Moderne: Adorno und Lyotard

    Vorspiel – Im Schatten des Gedachten Es gibt Gedanken, die wie Schatten sind: Sie erlöschen nicht, wenn das Licht der Zeit sich ändert. Adorno gehört zu ihnen. Sein Denken bleibt als Nachhall im Bewusstsein der Moderne, selbst dort, wo sie sich von ihm lossagt. Vielleicht war jede Theorie nach ihm schon Kommentar, jeder Versuch, sich

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  • Rilke zwischen Ding und Melancholie: Poetische Schwellen der Moderne

    Der Dichter im Bann der Kunst Kaum ein Dichter hat sich so sehr in die Nähe der bildenden Kunst gerückt wie Rainer Maria Rilke. Und kaum einer ist darüber so sehr in den Verdacht geraten, die Sprache selbst in eine Art musealen Raum verwandelt zu haben. Sein Pathos der Dinge, in den Neuen Gedichten zum

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  • Die Wandlung von Thomas Mann: Vom Konservativen zum Demokrat

    Die Sonderausstellung „Meine Zeit. Thomas Mann und die Demokratie“ feiert anlässlich seines 150. Geburtstags den berühmtesten Sohn der Stadt Lübeck, den Literaturnobelpreisträger Thomas Mann. Sie wird vom Buddenbrookhaus verantwortet und findet, da das Stammhaus derzeit umgebaut wird, im St. Annen-Museum statt – dem ehemaligen Augustinerkloster, das schon durch seine Aura eine stille Zwiesprache mit der

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  • Ernst Ludwig Kirchner auf Fehmarn

    Zwischen Paradies und Abgrund Stehe ich nachts am Strand von Fehmarn, wenn das Meer schwarz und bodenlos geworden ist und die Brandung in rhythmischen Schlägen gegen die Küste bricht, dann scheint mir die Landschaft nicht bloß Natur, sondern ein Bild von Wahrheit. Das Leuchtfeuer von Staberhuk hebt sich wie ein Maß gegen die Dunkelheit, und

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  • In den westlichen Arbeitervierteln Bremens, wo etwa die Fassaden des „Roten Gewerkschaftsblocks“ in der Gröpelinger Heerstraße noch heute von einer unterbrochenen Hoffnung erzählen, lebte meine Großmutter Johanne Trutzenberger mit ihrer Familie. Dass der Komplex kürzlich zum hundertjährigen Jubiläum der GEWOBA in jenem Dunkelrot gestrichen wurde, das ihm den Namen gab, erscheint wie ein unwillkürliches Eingeständnis:

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