„Neue Grundsicherung“ – ein Rückfall in alte Ungerechtigkeiten

Was die Bundesregierung als „Reform“ der Grundsicherung verkauft, ist in Wahrheit ein Rückfall in den Geist von Hartz IV – ein sozialpolitischer Rückschritt, der das Vertrauen in den Sozialstaat weiter zerstört. Die sogenannte „Neue Grundsicherung“ steht für Misstrauen statt Unterstützung, für Kontrolle statt Hilfe, für Strafen statt Chancen.

Besonders zynisch ist dabei das Zusammenspiel von CDU und SPD. Während Friedrich Merz wieder einmal gegen die „sozialen Hängematten“ wettert und Bedürftige pauschal verdächtigt, übernimmt die SPD im Regierungshandeln genau jene Sprache, die sie einst zu bekämpfen versprach. Anstatt soziale Gerechtigkeit zu verteidigen, biedert sie sich dem Ungeist einer Politik an, die Armut moralisiert und Bedürftigkeit als Makel behandelt.

Merz’ populistische Kampagne gegen angeblich „arbeitsunwillige Bürgergeldempfänger“ ist nichts anderes als ein Versuch, alte Ressentiments wiederzubeleben – ein Angriff auf den sozialen Frieden. Er spaltet die Gesellschaft in „Leistungswillige“ und „Leistungsschwache“ und verschiebt die Schuld an sozialer Ungleichheit nach unten, zu jenen, die am wenigsten haben. Damit bereitet er den Boden für soziale Verachtung, nicht für Verantwortung.

Doch die größere Enttäuschung liegt bei der SPD. Eine Partei, die sich einst „sozialdemokratisch“ nannte, betreibt heute eine Politik, die die Schwächsten sanktioniert und die Reichen schont. Die Ampel redet von „Fördern und Fordern“, meint aber Einschüchterung und Kontrolle. Sie nimmt Totalsanktionen in Kauf, die Menschen in Hunger, Schulden oder Obdachlosigkeit treiben – in offener Missachtung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, das das Existenzminimum als unantastbar erklärt hat.

Auch die Gewerkschaften und Sozialverbände haben diesen Kurs scharf verurteilt. Der DGB spricht von einem „Rückfall in alte Zeiten“, die Wohlfahrtsverbände von einer „moralisch entgleisten Debatte“. Statt über gerechte Einkommen und faire Chancen wird über „Pflichtverletzungen“ und „Sozialbetrug“ diskutiert. Wer Armut zu einem Charakterfehler erklärt, verschleiert die wirklichen Ursachen: stagnierende Löhne, prekäre Arbeit, steigende Lebenshaltungskosten und eine Steuerpolitik, die Reichtum schützt.

Die Wahrheit ist: Diese Reform bekämpft nicht Armut, sondern Arme. Sie ist Ausdruck einer politischen Entfremdung, in der soziale Verantwortung durch fiskalische Härte ersetzt wurde. Die SPD, die sich einst als Schutzmacht der Schwachen verstand, verteidigt heute ein System, das Bedürftige diszipliniert statt stärkt – und damit die Grundidee des Sozialstaats verrät.

Was notwendig wäre, liegt auf der Hand:
Eine Grundsicherung, die das Existenzminimum garantiert, statt es zu kürzen.
Investitionen in Bildung, Weiterbildung, Kinderbetreuung und soziale Teilhabe.
Eine Steuerpolitik, die große Vermögen und Gewinne endlich gerecht besteuert.
Und eine politische Kultur, die wieder von Solidarität spricht – nicht von Verdacht.

Denn ein Sozialstaat, der die Schwächsten demütigt, verliert seine Legitimität. Und eine Sozialdemokratie, die soziale Gerechtigkeit nur noch beschwört, statt sie zu leben, verliert ihre Seele.

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