Zur Krise der Kinderbetreuung in Bremen
Die Hiobsbotschaften reißen nicht ab. Die soziale Infrastruktur Bremens gerät zunehmend unter Druck – und die Insolvenz des Trägers PME Familienservice ist nur das jüngste Symptom einer Entwicklung, die längst systemisch geworden ist. Die Abwicklung des Trägers Petri & Eichen in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit hat bereits gezeigt, wie brüchig zentrale soziale Bereiche in dieser Stadt geworden sind. Auch wenn beide Fälle unterschiedliche Felder betreffen, weisen sie auf dasselbe strukturelle Problem hin: Bremen verliert im Kernbereich seiner sozialen Daseinsvorsorge an Stabilität. Wenn innerhalb weniger Monate zwei große Träger in unterschiedlichen Segmenten der sozialen Arbeit zusammenbrechen, ist das kein Zufall, sondern Ausdruck eines tiefreichenden politischen Versagens.
Sozialkahlschlag im Kernbereich der Daseinsvorsorge
Kitas gehören zur unverzichtbaren Grundversorgung. Sie sichern frühe Bildung, ermöglichen gesellschaftliche Teilhabe und stabilisieren den Alltag vieler Familien. Wenn ausgerechnet dieser Bereich an den Rand des Zusammenbruchs gerät, zeigt das, wie weit Bremen inzwischen in den Sozialkahlschlag hineingeschlittert ist.
Dass PME wiederholt und über Monate auf eine massive Unterfinanzierung hingewiesen hat – steigende Personal- und Sachkosten, nicht gedeckte Immobilienkosten, gestrichene Zuschläge in sozial benachteiligten Quartieren – verdeutlicht, wie fahrlässig dieses System betrieben wird. Wer steigende Anforderungen an Qualität formuliert, zugleich aber die Finanzierung ausbluten lässt, erzeugt Instabilität mit Ansage.
Die Bildungsbehörde trägt mit ihrem Vorgehen zur Eskalation bei: Zahlungen mitten im laufenden Verfahren auszusetzen und den Zuwendungsbescheid zurückzunehmen, mag administrativ begründet sein, politisch aber ist es verantwortungslos. Ein Träger mit acht Einrichtungen und hunderten Kindern lässt sich nicht durch kurzfristige, technisch motivierte Entscheidungen stabilisieren. Die Leidtragenden sind nun Eltern, Beschäftigte und vor allem die Kinder.
Ein politisches Versagen, das sich durch die gesamte soziale Infrastruktur zieht
Die Parallele zu Petri & Eichen zeigt: Die Krisenfälle sind unterschiedlich, aber die Ursachen sind verwandt. In der Offenen Kinder- und Jugendarbeit wie im Kitabereich führt dieselbe politische Logik in die Instabilität:
- jahrzehntelange strukturelle Unterfinanzierung,
- kurzfristige, häufig wechselnde Förderlogiken,
- ein Haushaltsregime, das soziale Arbeit als variable Größe behandelt,
- zunehmende Komplexität, ohne die nötigen Ressourcen bereitzustellen,
- eine Trägerlandschaft, die allein gelassen wird, während die Verantwortung zerfasert.
In beiden Bereichen – Kinderbetreuung wie Offene Jugendarbeit – zeigt sich ein Staat, der sich aus seiner sozialen Verantwortung zurückzieht und damit die Stabilität ganzer Stadtteile gefährdet.
Intransparenz als weiteres Krisensymptom
Dass nicht einmal klar benannt wird, welche der acht Kitas von PME konkret betroffen sind, passt in das Bild eines Systems, das weder transparent noch koordiniert arbeitet. Eltern müssen über Medien und Gerüchte herausfinden, was mit den Betreuungseinrichtungen ihrer Kinder geschieht. Das ist nicht akzeptabel – und es vertieft das Misstrauen gegenüber der politischen Steuerung.
Bremen ist am Limit – und das zeigt sich zuerst an den Schwächsten
Was in den Kitas und in der Jugendarbeit geschieht, ist kein isoliertes Problem einzelner Träger. Es ist die Konsequenz eines politischen Kurses, der öffentliche Infrastruktur über Jahre ausbluten ließ. Schulen, Jugendzentren, Kitas, Pflege, Verwaltung – überall zeigen sich dieselben Symptome: Überlastung, Unterfinanzierung, Personalflucht und zunehmende Instabilität.
Eine Stadt, die ihre soziale Basis verliert, verliert ihre Zukunft. Wer die Betreuung der Jüngsten oder die Unterstützung der älteren Kinder und Jugendlichen vernachlässigt, beschädigt die Grundpfeiler gesellschaftlicher Teilhabe.
Was jetzt notwendig ist
Die Krise zeigt schmerzhaft, dass soziale Infrastruktur nicht länger als verhandelbare Größe behandelt werden darf. Kinderbetreuung und Jugendarbeit sind tragende Säulen einer Stadtgesellschaft – und müssen als solche dauerhaft abgesichert sein.
Notwendig sind:
- verlässliche, auskömmliche Finanzierung, die reale Kosten deckt, statt sie zu externalisieren;
- stabile, transparente Fördermodelle, die Planbarkeit ermöglichen;
- eine echte politische Priorisierung sozialer Infrastruktur, statt haushalterischer Notoperationen;
- ein Schutzschirm für bestehende Einrichtungen, bevor noch weitere Träger in die Insolvenz gezwungen werden.
Bremen braucht keine kosmetischen Reparaturen. Die Stadt braucht eine grundlegende Richtungsänderung im Umgang mit sozialer Daseinsvorsorge. Wer Kinderbetreuung und Jugendarbeit stabilisiert, stabilisiert die Zukunft unserer Stadt. Wer weiter zuschaut, riskiert ihren Zusammenbruch.
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