Gemeinsam gegen Armut – Strategien für ein solidarisches Bremen

1. Einleitung:
Was ist Armut? Warum ist Bremen besonders betroffen?

Armut ist ein vielschichtiges und komplexes Phänomen, das weit über den reinen Mangel an Geld hinausgeht. In ihrer grundlegenden Definition bezieht sich Armut auf das Leben unterhalb eines bestimmten Einkommensniveaus, das als unzureichend angesehen wird, um die grundlegenden Bedürfnisse des Lebens zu decken. In Deutschland gilt eine Person als armutsgefährdet, wenn ihr verfügbares Nettoeinkommen weniger als 60 % des mittleren Einkommens liegt. Das bedeutet, dass ein Alleinstehender mit weniger als 1.247 Euro monatlich als armutsgefährdet gilt. Doch Armut umfasst weit mehr als nur finanzielle Engpässe: Sie schließt auch den mangelnden Zugang zu zentralen gesellschaftlichen Ressourcen ein, wie etwa Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnraum und die Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe.

Im Falle von Bremen ist die Situation besonders prekär. Die Hansestadt hat mit einer Armutsquote von 25,9 % im Jahr 2024 die höchste Armutsquote aller deutschen Bundesländer. Dieser Wert liegt weit über dem Bundesdurchschnitt von 15,5 %. Dies bedeutet, dass jeder vierte Bremer Haushalt von Armut betroffen ist, was Bremen zu einem Brennpunkt des gesellschaftlichen Problems Armut macht. Besonders betroffen sind in Bremen nicht nur Einzelpersonen, sondern ganze Bevölkerungsgruppen: Familien mit Kindern, Alleinerziehende, ältere Menschen und auch Menschen, die von LangzeitErwerbslosigkeit betroffen sind.

Die hohe Armutsquote in Bremen ist das Ergebnis einer Vielzahl von strukturellen und sozialen Faktoren. Insbesondere die hohen Wohnkosten, die geringe Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum und ein hoher Anteil an prekärer Beschäftigung in der Stadt tragen erheblich dazu bei, dass viele Bremerinnen und Bremer in Armut leben. Zudem sind die Armutsrisiken in Bremen regional unterschiedlich verteilt: Besonders hoch ist die Armutsquote in bestimmten Stadtteilen und in der benachbarten Stadt Bremerhaven.

Armut in Bremen ist somit ein drängendes Problem, das nicht nur das tägliche Leben der Betroffenen beeinflusst, sondern auch tiefgreifende gesellschaftliche Auswirkungen hat. Sie führt zu einer zunehmenden Spaltung innerhalb der Gesellschaft, da diejenigen, die in Armut leben, häufig von zentralen Ressourcen und Chancen ausgeschlossen sind. Bremen steht somit vor der Herausforderung, nicht nur akute Hilfsmaßnahmen anzubieten, sondern langfristige Lösungen zu finden, um die Ursachen der Armut zu bekämpfen und den betroffenen Menschen wieder eine gleichwertige Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen.

In diesem Artikel soll untersucht werden, wie die Armut in Bremen entsteht, welche Bevölkerungsgruppen am stärksten betroffen sind und welche Maßnahmen ergriffen werden, um der Armutsfalle zu entkommen. Ebenso soll ein Blick auf die Herausforderungen geworfen werden, denen sich die Stadt im Kampf gegen Armut stellen muss, und auf die politischen Forderungen, die eine nachhaltige Veränderung bewirken können.

2. Aktuelle Situation der Armut in Bremen

Die Armutsproblematik in Bremen ist in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der öffentlichen und politischen Debatten geraten. Im Jahr 2024 lag die Armutsquote in Bremen bei 25,9 %, was deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt von 15,5 % liegt. Das bedeutet, dass mehr als ein Viertel der Bremer Bevölkerung als armutsgefährdet gilt. Dieser alarmierende Wert macht Bremen zur Stadt mit der höchsten Armutsquote in Deutschland. Der Unterschied zu anderen Städten und Bundesländern ist nicht nur statistisch auffällig, sondern hat auch konkrete Auswirkungen auf die Lebensrealitäten vieler Menschen in der Stadt.

2.1 Besonders betroffene Gruppen

In Bremen sind insbesondere bestimmte Bevölkerungsgruppen von Armut betroffen. Am stärksten leiden:

  • Familien: Besonders Haushalte mit mehreren Kindern sind stark von Armut betroffen. Die finanziellen Belastungen, die mit der Erziehung und Versorgung von Kindern einhergehen, sind für viele Familien zu hoch, vor allem, wenn das Haushaltseinkommen gering ist. Diese Familien sind oft auf Sozialleistungen angewiesen, um ihre grundlegenden Bedürfnisse wie Wohnen, Ernährung und Bildung zu decken.
  • Alleinerziehende: Alleinerziehende Elternteile in Bremen sind einem besonders hohen Armutsrisiko ausgesetzt. Diese Gruppe hat oftmals nur ein geringes Einkommen und muss gleichzeitig alle Aufgaben der Kinderbetreuung und Haushaltsführung allein bewältigen. Die fehlende Unterstützung und der häufig hohe Anteil an Teilzeit- oder Minijobs führen dazu, dass sie überproportional von Armut betroffen sind.
  • Kinder und Jugendliche: In Bremen wächst eine Generation auf, die stark von Armut geprägt ist. Kinder aus einkommensschwachen Familien haben oft weniger Zugang zu Bildungsangeboten, Freizeitmöglichkeiten oder gesundem Essen. Diese benachteiligte Kindergeneration ist später als Erwachsene häufig von LangzeitErwerbslosigkeit oder unsicheren Arbeitsverhältnissen betroffen, was den Kreislauf der Armut weiter verstärken kann.
  • Ältere Menschen: Auch die Altersarmut stellt ein wachsendes Problem dar. Immer mehr ältere Menschen in Bremen leben unterhalb der Armutsgrenze. Viele Renten sind zu niedrig, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, und da gleichzeitig die Mieten steigen, haben viele Senioren Schwierigkeiten, sich ihren Lebensunterhalt zu sichern. Altersarmut wird zunehmend zu einer zentralen Herausforderung für die Stadtgesellschaft.

2.2 Ursachen der Armut

Die Ursachen der hohen Armutsquote in Bremen sind vielschichtig und eng miteinander verknüpft. Einige der wichtigsten Faktoren, die zur Armutsentwicklung beitragen, sind:

  • Hohe Wohnkosten: Bremen leidet unter einem massiven Mangel an bezahlbarem Wohnraum. In den letzten Jahren sind die Mieten in der Stadt stetig gestiegen, während die Löhne vieler Menschen stagnieren. Für einkommensschwache Haushalte bedeutet dies eine enorme finanzielle Belastung. Ein erheblicher Teil des Haushaltseinkommens muss für die Miete aufgewendet werden, was die finanziellen Spielräume der Betroffenen stark einschränkt.
  • Hoher Anteil prekärer Beschäftigung: In Bremen gibt es einen vergleichsweise hohen Anteil an Menschen, die in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. Dazu gehören befristete Arbeitsverhältnisse, Minijobs und Teilzeitstellen, die meist mit unsicheren Arbeitsbedingungen und niedrigen Löhnen verbunden sind. Diese Arbeitsverhältnisse bieten weder finanzielle Sicherheit noch Perspektiven für die Zukunft. Menschen, die in solchen Jobs tätig sind, sind häufiger von Armut betroffen, da sie oftmals nicht genug verdienen, um ihre Existenz langfristig zu sichern.
  • Großer Niedriglohnsektor: Ein weiteres Problem ist der große Niedriglohnsektor in Bremen. Viele Bremerinnen und Bremer sind in Dienstleistungsberufen tätig, die überwiegend im Niedriglohnbereich angesiedelt sind. Jobs im Einzelhandel, in der Gastronomie oder im Reinigungssektor bieten oftmals nur geringe Löhne, die nicht ausreichen, um ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen. Diese Erwerbsarbeit führt zu einer Einkommensschere, bei der Menschen trotz Arbeit in Armut leben.

2.3 Regionale Unterschiede in Bremen und Bremerhaven

Die Armutsquote in Bremen ist nicht überall gleich hoch. Besonders in bestimmten Stadtteilen und in der benachbarten Stadt Bremerhaven sind die Armutsraten alarmierend hoch.

  • In einigen Quartieren der Bremer Innenstadt, wie beispielsweise in Gröpelingen oder in der Vahr, ist die Armutsgefährdung besonders ausgeprägt. Diese Stadtteile sind von einer hohen Erwerbslosigkeit und einem großen Anteil an Haushalten mit sozialer Benachteiligung betroffen. Geringe Bildungschancen, hohe Mietpreise und ein Mangel an sozialen und kulturellen Angeboten tragen zur Armutsverfestigung in diesen Gebieten bei.
  • Bremerhaven ist ebenfalls stark von Armut betroffen. Die Stadt hat in den letzten Jahren eine erhebliche Abwanderung von jungen, gut qualifizierten Menschen erlebt, was die wirtschaftliche Lage weiter verschärft hat. Hohe Erwerbslosigkeit und eine hohe Anzahl von Menschen, die von Transferleistungen leben, kennzeichnen die Situation in Bremerhaven. Die Stadt hat mit strukturellen Problemen zu kämpfen, die durch eine geringe Wirtschaftsstruktur und die Abhängigkeit von wenigen Industriezweigen verstärkt werden.

Die regionalen Unterschiede in der Armutsverteilung machen deutlich, dass Armut in Bremen nicht nur eine städtische Herausforderung, sondern auch eine Frage der sozialen und regionalen Gerechtigkeit ist. Bestimmte Gebiete sind stark von Armut geprägt, während andere Quartiere weitgehend verschont bleiben. Die Herausforderung für die Stadt Bremen besteht darin, diese Ungleichgewichte zu adressieren und Maßnahmen zu entwickeln, die auf die spezifischen Bedürfnisse der betroffenen Stadtteile und Regionen abgestimmt sind.

3. Folgen der Armut

Armut hat weitreichende Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen und die Gesellschaft als Ganzes. Sie beschränkt nicht nur die materiellen Lebensbedingungen, sondern hat auch tiefgreifende soziale und gesundheitliche Folgen, die die Lebensqualität und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erheblich einschränken. Diese Folgen sind nicht isoliert, sondern wirken oft miteinander zusammen und verstärken sich gegenseitig. Im Folgenden werden die wichtigsten Folgen der Armut detailliert beschrieben.


3.1 Materielle Einschränkungen

Die materiellen Einschränkungen, die mit Armut einhergehen, betreffen vor allem die grundlegenden Bedürfnisse des Lebens. Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, haben häufig nicht genug Geld, um für sich und ihre Familien die wichtigsten Lebensbereiche ausreichend zu sichern.

  • Wohnen: Eine der größten Belastungen für einkommensschwache Haushalte in Bremen sind die hohen Wohnkosten. Die Mietpreise sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, während die Löhne vieler Menschen stagnieren. Für Personen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, bedeutet dies, dass ein erheblicher Teil ihres Einkommens für die Miete aufgebracht werden muss, was zu wenig finanziellen Spielräumen für andere notwendige Ausgaben führt. Es bleibt wenig Geld für die Instandhaltung der Wohnung, für Heizung oder für Möbel und andere Bedürfnisse. Manche Haushalte müssen auf kleinere oder schlechter ausgestattete Wohnungen ausweichen oder leben in beengten Verhältnissen.
  • Ernährung: In Bremen leben viele Haushalte in Armut mit einem erheblich reduzierten Budget für Nahrungsmittel. Die Folge sind unzureichende Ernährungsgewohnheiten, die nicht nur den Geldbeutel, sondern auch die Gesundheit der Betroffenen belasten. Oft greifen arme Menschen auf günstige, aber nährstoffarme Lebensmittel zurück, die nicht ausreichend Vitamine und Mineralstoffe liefern. In extremen Fällen sind Menschen gezwungen, auf die Qualität der Ernährung zu verzichten, um ihre Grundbedürfnisse zu decken.
  • Bildung: Der Zugang zu Bildung und Weiterbildung ist für arme Familien in Bremen ebenfalls eingeschränkt. Kinder aus einkommensschwachen Haushalten haben häufig weniger Chancen, eine gute schulische oder berufliche Ausbildung zu erhalten. Diese Ungleichheiten beginnen bereits im frühen Kindesalter und setzen sich durch den Bildungsweg fort. Kinder aus armen Familien sind stärker gefährdet, die Schule ohne Abschluss zu verlassen oder später in prekären Arbeitsverhältnissen zu landen. Dies wiederum verstärkt den Kreislauf der Armut, da mangelnde Bildung und berufliche Qualifikation die Chancen auf gut bezahlte Arbeitsplätze erheblich verringern.
  • Freizeit: Die finanzielle Lage von einkommensschwachen Haushalten führt auch zu einer Einschränkung der Freizeitmöglichkeiten. Kinder aus armen Familien können sich keine außerschulischen Aktivitäten wie Sport, Musikunterricht oder andere Freizeitangebote leisten. Erwachsene haben oft keine finanziellen Mittel, um kulturelle oder soziale Veranstaltungen zu besuchen, was ihre Lebensqualität weiter einschränkt und zu sozialer Isolation führen kann.

3.2 Soziale und gesundheitliche Auswirkungen

Die sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen von Armut in Bremen sind ebenso gravierend. Armut ist nicht nur eine Frage des Geldes, sondern auch der sozialen Teilhabe und des Zugangs zu wichtigen gesellschaftlichen Ressourcen.

  • Erhöhte Belastung: Armut führt zu erheblichen psychischen und physischen Belastungen. Menschen, die in Armut leben, sind ständig mit Sorgen um die finanzielle Sicherheit konfrontiert. Dies kann zu erhöhtem Stress, Ängsten und einer allgemeinen psychischen Belastung führen. Besonders in Familien mit Kindern und Alleinerziehenden ist der Druck, für den Lebensunterhalt zu sorgen und gleichzeitig für das Wohl der Kinder zu sorgen, oft enorm. Dieser stressige Zustand kann die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und die psychische Gesundheit der Betroffenen schwächen.
  • Geringere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben: Menschen, die in Armut leben, sind in vielerlei Hinsicht von der Gesellschaft ausgeschlossen. Sie können sich nicht an Freizeitaktivitäten, Kulturveranstaltungen oder sozialen Ereignissen beteiligen, da ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Diese soziale Isolation führt dazu, dass sie sich oft als Außenseiter fühlen und der Zugang zu einem sozialen Netzwerk erschwert wird. Dies hat auch negative Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl und das Zugehörigkeitsgefühl innerhalb der Gesellschaft.
  • Schlechtere Gesundheitschancen: Armut ist eng mit gesundheitlichen Benachteiligungen verknüpft. Menschen, die unter Armutsbedingungen leben, haben einen schlechteren Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen und eine schlechtere medizinische Versorgung. Oft gehen sie erst zu einem Arzt, wenn die Krankheit bereits fortgeschritten ist, da sie entweder keine Krankenkasse haben oder die Arztbesuche und Medikamente nicht bezahlen können. Zudem ist die Lebensweise von Armutsbetroffenen häufig weniger gesund, da der Zugang zu gesunder Ernährung, Sportmöglichkeiten oder präventiven Gesundheitsmaßnahmen stark eingeschränkt ist. Langfristig führt dies zu einer höheren Anfälligkeit für chronische Erkrankungen, wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und psychische Störungen.

3.4 Segregation

Die räumliche Segregation von armen und wohlhabenden Menschen ist in Bremen ein deutliches Zeichen der sozialen Spaltung. Besonders in den sozial benachteiligten Stadtteilen konzentrieren sich hohe Armutsraten.

  • Konzentration der Armut in bestimmten Stadtteilen: In Bremen gibt es Stadtteile wie Gröpelingen, die besonders stark von Armut betroffen sind. Hier leben viele Menschen in prekären Verhältnissen, und die Armutsquote ist im Vergleich zu anderen Stadtteilen besonders hoch. Diese Konzentration von Armut führt zu einer verstärkten sozialen Ausgrenzung und stigmatisiert die betroffenen Viertel. Es entsteht eine soziale Schicht, die kaum noch in den Austausch mit anderen sozialen Gruppen tritt und somit den Zugang zu verschiedenen gesellschaftlichen Ressourcen, wie Bildung und Arbeitsplätzen, erheblich einschränkt.
  • Verfestigung der sozialen Ungleichheit: Durch diese räumliche Konzentration von Armut entstehen sogenannte „Armutsghettos“, in denen die Möglichkeiten, aus der Armut herauszukommen, stark eingeschränkt sind. Besonders Kinder aus diesen Vierteln haben geringere Chancen, aus dem Kreislauf der Armut auszubrechen. Die Verfestigung sozialer Ungleichheit in bestimmten Regionen führt dazu, dass Arme von den Wohlhabenderen zunehmend getrennt leben und arbeiten, was wiederum die soziale Mobilität einschränkt und zu einer verstärkten gesellschaftlichen Segregation führt.

Die Folgen der Armut in Bremen sind weitreichend und betreffen nicht nur die materiellen Lebensbedingungen der Betroffenen, sondern auch ihre soziale und gesundheitliche Situation. Armut ist ein systemisches Problem, das viele Lebensbereiche beeinflusst und nicht nur den Zugang zu Ressourcen wie Wohnen, Nahrung und Bildung einschränkt, sondern auch tiefgreifende soziale und gesundheitliche Konsequenzen mit sich bringt. Zudem verstärkt die räumliche Konzentration von Armut in bestimmten Stadtteilen die gesellschaftliche Segregation und erschwert die Chancen auf eine positive soziale und berufliche Entwicklung.


4. Maßnahmen zur Überwindung der Armut

Die Bekämpfung von Armut in Bremen erfordert ein vielschichtiges und strukturiertes Vorgehen. Zahlreiche Maßnahmen sind notwendig, um sowohl die Ursachen der Armut zu bekämpfen als auch den betroffenen Menschen zu ermöglichen, ihre Lebensbedingungen nachhaltig zu verbessern. Die Maßnahmen zur Überwindung der Armut in Bremen betreffen verschiedene gesellschaftliche Bereiche, von Sozialleistungen über Arbeitsmarktpolitik bis hin zur Förderung des Wohnungsbaus und der Bildung. Die folgenden Abschnitte geben einen detaillierten Überblick über die wichtigsten Ansätze.

4.1 Sozialleistungen: Instrumente zur Armutsbekämpfung in Bremen

Sozialleistungen sind ein unverzichtbares Instrument zur Bekämpfung von Armut, da sie denjenigen, die von Erwerbsarbeit nicht leben können oder auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, eine Existenzsicherung bieten. In Bremen, einer Stadt mit einer Armutsquote von 25,9 % (Stand 2024) – deutlich höher als der Bundesdurchschnitt von 15,5 % – kommen diesen Leistungen eine besonders wichtige Rolle zu. Sie sind entscheidend, um die Grundbedürfnisse der betroffenen Menschen zu decken und eine soziale Teilhabe zu ermöglichen. Dennoch ist die Wirksamkeit der bestehenden Sozialleistungen nicht unumstritten, und es bestehen Forderungen nach Reformen, die stärker auf die spezifischen Bedürfnisse von benachteiligten Gruppen eingehen.

4.1.1 Bürgergeld

Seit Januar 2023 ersetzt das Bürgergeld das frühere Arbeitslosengeld II (Hartz IV), um die Existenzgrundlage von erwerbsfähigen, leistungsberechtigten Personen zu sichern. In Bremen, wo die Arbeitslosenquote mit etwa 13,6 % deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt und viele Menschen in prekären Beschäftigungs-verhältnissen arbeiten, ist das Bürgergeld ein wichtiges Sicherheitsnetz. Es soll den Leistungsberechtigten ein menschenwürdiges Leben ermöglichen, ohne dass sie in Armut leben müssen.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kritisiert, dass das Bürgergeld weiterhin nicht ausreicht, um ein Leben in Würde zu sichern, und fordert eine Rückkehr zu einer leistungsstärkeren und leistungsgerechteren Arbeitslosenversicherung. Daher muss die Arbeitslosenversicherung stärker auf die Bedürfnisse der Bezieher:innen von Sozialleistungen abgestimmt und so reformiert werden, dass sie auch bei längeren Phasen der Erwerbslosigkeit den Lebensunterhalt sichert.

Die Arbeitnehmerkammer Bremen hat ebenfalls festgestellt, dass die Höhe des Bürgergeldes in Bremen trotz der Anpassungen nicht ausreicht, um die Lebensbedingungen der betroffenen Haushalte nachhaltig zu verbessern. Sie empfiehlt eine regelmäßige Anpassung der Leistungshöhen und kritisiert, dass die Förderprogramme für die berufliche Integration von Langzeitarbeitslosen noch nicht ausreichend ausgebaut sind.

4.1.2 Grundsicherung im Alter

Die Grundsicherung im Alter ist für viele ältere Menschen in Bremen von großer Bedeutung. Im ersten Halbjahr 2024 bezogen 11.770 Bremer:innen diese Leistung, eine Zahl, die in den letzten Jahren stetig gestiegen ist. Besonders betroffen sind Frauen, die aufgrund von geringerem Einkommen im Arbeitsleben und unzureichenden Rentenansprüchen häufig auf diese Leistung angewiesen sind. Die Armutsgefährdung im Alter betrifft insbesondere Menschen, die im Laufe ihres Lebens in prekären Beschäftigungen tätig waren oder keine ausreichenden Rentenansprüche aufbauen konnten.

Das BSW fordert hier eine grundlegende Reform des deutschen Rentensystems, das als eines der leistungsschwächsten in Europa gilt. Im Rahmen dieser Reform plädiert das Bündnis für ein Rentensystem nach österreichischem Vorbild, das die Rentenansprüche für alle Menschen, die lange Jahre gearbeitet haben, deutlich steigern würde. Diese Reform soll auch den Übergang von der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer mindestsichernden Grundsicherung im Alter fördern.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat in diesem Zusammenhang auch betont, dass die Grundsicherung im Alter nicht nur ein Notnagel, sondern eine dauerhafte Absicherung der Lebenshaltungskosten für alle älteren Menschen darstellen muss. Hierzu wird eine Anhebung der Grundsicherung als notwendig erachtet, um Altersarmut wirksam zu bekämpfen.

4.1.3 Leistungen für Kinder und Jugendliche

Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien sind besonders von Armut betroffen, was langfristig ihre Bildungschancen und soziale Teilhabe beeinträchtigt. Um die Armut von Kindern zu bekämpfen, wurde 2024 der Kinderzuschlag eingeführt, der bis zu 292 € pro Monat beträgt und Familien mit geringem Einkommen entlasten soll. Zusätzlich erhalten Kinder und Jugendliche im Rahmen des Bildungspakets verschiedene Leistungen, die ihre Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und an Bildungsangeboten fördern.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) fordert darüber hinaus eine Reform der Familienpolitik, die auch die Einführung einer Kindergrundsicherung umfasst, um sicherzustellen, dass jedes Kind unabhängig vom Einkommen der Eltern Zugang zu den nötigen Ressourcen hat, um sich zu entfalten. Diese Forderung geht auf die Erhöhung des Kindergelds sowie die Bereitstellung von Bildungs- und Teilhabeangeboten abseits von staatlichen Prüfungen und bürokratischen Hürden ein.

In Bremen ist die Frage der Kinderarmut besonders akut, und die Arbeitnehmerkammer hat mehrfach hervorgehoben, dass das Bildungspaket zwar unterstützend wirkt, jedoch viele Familien durch bürokratische Hürden und unzureichende Mittel weiterhin benachteiligt bleiben. Eine bessere Finanzierung und eine vereinfachte Antragsstellung für Familien, die Sozialleistungen in Anspruch nehmen müssen, wird hier als notwendig angesehen.

4.1.4 Bewertung und Ausblick

Die bestehenden Sozialleistungen sind unbestritten ein wichtiger Bestandteil der Armutsbekämpfung in Bremen. Besonders das Bürgergeld und die Grundsicherung im Alter sind für viele Bremer:innen unverzichtbare Instrumente zur Sicherung des Existenzminimums. Dennoch zeigen die steigenden Zahlen von Leistungsbeziehern, insbesondere bei der Grundsicherung im Alter, dass eine grundlegende Reform des Sozialsystems erforderlich ist, um auf die veränderten demografischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu reagieren.

Die politischen Forderungen von BSW nach einer Leistungsverbesserung im Bereich der Arbeitslosenversicherung und der Rentenreform unterstreichen die Dringlichkeit einer anpassungsfähigen und armutsfesten Sozialpolitik. Gleichzeitig müssen die bestehenden Programme für Kinder und Jugendliche weiterentwickelt werden, um eine gerechte Chancengleichheit zu gewährleisten.

Für Bremen bedeutet dies, dass neben der Bereitstellung von Sozialleistungen auf Landes- und Bundesebene auch strukturelle Veränderungen erforderlich sind, um Armut nachhaltig zu bekämpfen. Eine effektive Armutsbekämpfung setzt nicht nur auf die Ausweitung von Sozialleistungen, sondern auch auf umfassende Maßnahmen zur Verbesserung der Erwerbs- und Bildungsperspektiven der betroffenen Gruppen.

4.2 Arbeitsmarktpolitik: Strategien zur Armutsbekämpfung in Bremen

Die Arbeitsmarktpolitik ist ein zentrales Instrument zur Bekämpfung von Armut, denn Erwerbstätigkeit gilt als Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe und zur finanziellen Absicherung. In Bremen, das mit einer Armutsquote von 25,9 % (Stand: 2024) bundesweit an der Spitze liegt, ist diese Dimension besonders relevant. Viele Menschen in der Hansestadt sind trotz Arbeit von Armut betroffen – ein Zeichen für strukturelle Probleme auf dem Arbeitsmarkt.

4.2.1 Förderung der Erwerbsbeteiligung

Die Arbeitnehmerkammer Bremen hebt in ihren Stellungnahmen regelmäßig hervor, dass insbesondere Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende und junge Menschen gezielt in den Arbeitsmarkt integriert werden müssen („Arbeitsmarktpolitik: Teilhabe statt Ausgrenzung“, Arbeitnehmerkammer Bremen, 2023). Hierzu bedarf es intensiver Betreuung, individueller Coaching-Angebote sowie passgenauer Vermittlungsformate. Programme wie „Bremen for Jobs“ setzen genau hier an, indem sie individuelle Unterstützungsangebote mit Qualifizierung verbinden.

Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband betont, dass Erwerbsarbeit nicht nur verfügbar, sondern auch armutsfest sein muss. Dazu zählen faire Löhne, sichere Beschäftigungsverhältnisse und eine umfassende soziale Absicherung – insbesondere in Übergangsphasen wie Erwerbslosigkeit.

4.2.2 Qualifizierung und Weiterbildung

Eine weitere Herausforderung stellt die hohe Quote an Menschen ohne Berufsabschluss dar – etwa 20 % der Bremer:innen zwischen 25 und 54 Jahren haben laut Kammer keine abgeschlossene Berufsausbildung. Der Erwerb von Berufsqualifikationen und digitalen Kompetenzen ist daher ein zentrales Ziel der Landespolitik. Das „Bildungszentrum der Wirtschaft im Unterwesergebiet“ (BWU) oder die Projekte der Arbeitnehmerkammer zur berufsbegleitenden Nachqualifizierung sind wichtige Bausteine.

4.2.3 Politische Forderungen des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW)

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) fordert in seinem Grundsatzprogramm eine verstärkte Aufwertung der beruflichen Bildung und öffentlich finanzierte Qualifizierung für Geringqualifizierte. Zudem soll der Zugang zu digitalen Kompetenzen gefördert werden, um die digitale Kluft zu überwinden.

Weiterhin setzt das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auf eine aktive Industriepolitik zur Schaffung sicherer Arbeitsplätze und eine Stärkung des Mittelstands. Ein zentrales Element der Strategie ist die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 €, um Armut trotz Arbeit zu verhindern. Darüber hinaus fordert das BSW eine umfassende Tarifbindung, um faire Arbeitsbedingungen zu garantieren und Lohndumping zu verhindern. Ziel ist es, eine gerechte Entlohnung zu sichern, sodass Arbeit ein verlässlicher Weg aus der Armut wird.

Die Forderungen des BSW beinhalten auch eine gezielte Förderung von Investitionen in strukturschwache Regionen, um Arbeitsplätze mit Perspektive zu schaffen. Das Bündnis sieht die Notwendigkeit, den öffentlichen Dienst zu stärken und Investitionen in moderne Infrastruktur sowie die industrielle Basis zu tätigen, um Arbeitsplätze zu sichern.

4.2.4 Empfehlungen von Arbeitnehmerkammer Bremen und Paritätischem Wohlfahrtsverband

Die Arbeitnehmerkammer Bremen fordert ein Ende von „Fehlanreizen“, die prekäre Beschäftigung begünstigen, etwa durch Minijobs oder Leiharbeit, und spricht sich für eine Regulierung solcher Beschäftigungsformen aus. Zudem fordert sie die gezielte Ansprache von Migrant:innen, die überdurchschnittlich von Erwerbsarmut betroffen sind („Teilhabe durch Arbeit“, Kammer Bremen, 2023).

Der Paritätische Wohlfahrtsverband warnt in seinem Armutsbericht 2023 vor einem zu starken Fokus auf Aktivierung um jeden Preis. Stattdessen müsse es eine menschenwürdige Grundsicherung ohne Sanktionen geben, ergänzt durch individuelle, freiwillige Qualifizierungsangebote – „Fördern statt Fordern“ als Leitbild.

4.2.5 Fazit

Eine wirksame Arbeitsmarktpolitik in Bremen erfordert eine Kombination aus armutsfester Erwerbsarbeit, verbesserter Qualifizierung und gezielter Förderung benachteiligter Gruppen. Die politische Forderung nach einem höheren Mindestlohn, tariflicher Absicherung und einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor ist zentral, um strukturelle Armutsursachen zu bekämpfen. Wichtig bleibt zudem: Arbeitsmarktpolitik darf nicht isoliert betrachtet werden – sie muss mit Bildungs-, Sozial- und Wohnungspolitik verzahnt sein.


4.3 Bildung: Schlüssel zur Armutsbekämpfung in Bremen

Bildung ist ein zentraler Faktor zur Überwindung von Armut, da sie den Zugang zu qualifizierten Arbeitsplätzen und gesellschaftlicher Teilhabe ermöglicht. In Bremen, wo ein erheblicher Teil der Bevölkerung von Armut betroffen ist, ist die Förderung von Bildungschancen für benachteiligte Gruppen von besonderer Bedeutung.

4.3.1 Verbesserung der Bildungs- und Ausbildungschancen

Kinder und Jugendliche aus einkommensarmen Familien haben in Bremen oft geringere Chancen auf eine gute schulische und berufliche Ausbildung. Programme wie das Bremen-Programm zur Förderung von Schulen in benachteiligten Stadtteilen und das Mentorenprogramm bieten Unterstützung, indem sie Bildungsangebote verbessern, zusätzliche Nachhilfe und Förderkurse ermöglichen und Stipendien anbieten. Darüber hinaus müssen frühzeitige Bildungsmaßnahmen, die bereits im Vorschulalter ansetzen, verstärkt werden. Hierzu gehören insbesondere Sprachförderungen und der Ausbau von Kindertagesstätten in sozial benachteiligten Stadtteilen.

Ein Beispiel für eine solche Initiative ist das Startchancen-Programm, das darauf abzielt, die Leistungsfähigkeit des Bildungssystems nachhaltig zu verbessern und die Bildungs- und Chancengerechtigkeit zu erhöhen. In Bremen profitieren 43 Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler von diesem Programm.

4.3.2 Zielgerichtete Programme für benachteiligte Jugendliche

Jugendliche aus einkommensschwachen Familien haben oft keine ausreichenden Ressourcen, um an zusätzlichen Bildungs- und Freizeitaktivitäten teilzunehmen. Durch Bildungspartnerschaften mit lokalen Unternehmen und die Förderung von Praktika und Ausbildungsplätzen sollen diese Jugendlichen in den Arbeitsmarkt integriert werden. Dabei wird auch auf die Förderung von digitalen Fähigkeiten gesetzt, um die Teilhabe der jungen Generation an der digitalen Gesellschaft zu gewährleisten.

Programme wie das Bildungs- und Teilhabepaket bieten finanzielle Unterstützung für außerschulische Aktivitäten, jedoch zeigt eine Expertise des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, dass diese Leistungen nur einem Teil der Jugendlichen zugutekommen.

4.3.3 Zentrale Ziele und Maßnahmen der Bildungspolitik des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) im Rahmen der Armutsbekämpfung

  • Bundesweite Vereinheitlichung: Das BSW fordert ein bundesweites Bildungsrahmengesetz mit einheitlichen Lehrplänen, Abschlussanforderungen und vergleichbaren Prüfungen, um die Bildungsunterschiede zwischen den Bundesländern abzubauen.
  • Schwerpunkt auf Grundkompetenzen: In der Grundschule sollen Lesen, Schreiben und Rechnen wieder stärker in den Mittelpunkt rücken. Didaktische Konzepte wie „Schreiben nach Gehör“ sollen abgeschafft werden.
  • Frühkindliche Förderung: Bereits ab drei Jahren soll ein verpflichtender Deutschtest eingeführt werden. Kinder mit Sprachdefiziten müssen dann verpflichtend eine beitragsfreie Kita mit speziellen Sprachförderprogrammen besuchen.
  • Ausstattung und Infrastruktur: Das BSW fordert massive Investitionen in die Sanierung und Modernisierung von Schulgebäuden sowie den Ausbau von Ganztagsangeboten, Hort- und Hausaufgabenbetreuung.
  • Digitale Medien: Der Einsatz digitaler Endgeräte soll in der Grundschule möglichst gering gehalten werden. Kulturelle Bildung wird als unverzichtbarer Bestandteil schulischer Bildung betont.
  • Lehrkräfte und Ausbildung: Die Ausbildung von Lehrkräften soll praxisorientierter und dual gestaltet werden. Lehrkräfte sollen von fachfremden Aufgaben entlastet und durch multiprofessionelle Teams unterstützt werden.
  • Soziale Infrastruktur: Kostenfreie Mittagessen, mehr Freizeit- und Betreuungsangebote sowie Investitionen in Sportstätten, Bibliotheken und Musikschulen sollen ungleiche Startbedingungen ausgleichen.
  • Chancengleichheit: Der Zugang zu Bildung soll unabhängig vom sozialen Status der Eltern sein. Das BSW setzt sich für längeres gemeinsames Lernen und gegen eine frühe Selektion in der Grundschule ein.

4.3.4 Erkenntnisse der Arbeitnehmerkammer Bremen und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands

Die Arbeitnehmerkammer Bremen betont die Bedeutung von Bildung als Mittel zur Armutsbekämpfung. In ihrem Bericht zur Lage im Land Bremen 2024 wird auf die Herausforderungen durch prekäre Beschäftigung hingewiesen, die eng mit Bildungsdefiziten verknüpft sind.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hebt hervor, dass Armut das größte Gesundheitsrisiko darstellt und eine aktive kommunale Gesundheitspolitik erfordert. Dazu gehören unter anderem Gesundheitsförderung in Kitas und Schulen sowie der Aufbau von Gesundheitszentren in benachteiligten Stadtteilen.

4.3.5 Fazit

Die Förderung von Bildungschancen für benachteiligte Gruppen ist entscheidend für die Armutsbekämpfung in Bremen. Durch gezielte Programme und politische Maßnahmen, die auf Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit abzielen, können langfristige Verbesserungen erzielt werden. Die Zusammenarbeit zwischen politischen Akteuren, Bildungseinrichtungen und gemeinnützigen Organisationen ist dabei von zentraler Bedeutung.

4.4 Wohnungsbau und quartiersbezogene Ansätze: Strategien zur Armutsbekämpfung in Bremen

4.4.1 Wohnen als soziale Frage

Der Zugang zu bezahlbarem und sicherem Wohnraum ist eine Grundvoraussetzung für soziale Teilhabe und ein menschenwürdiges Leben. In Bremen, wo die Mieten insbesondere in innerstädtischen Lagen stark gestiegen sind, geraten immer mehr einkommensschwache Haushalte unter Druck. Die Wohnkostenbelastung ist in der Stadt Bremen laut Paritätischem Wohlfahrtsverband bundesweit überdurchschnittlich hoch – mit gravierenden sozialen Folgen: Armut, Ausgrenzung, Wohnungslosigkeit. Wohnen ist somit nicht nur eine individuelle, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

4.4.2 Förderung von bezahlbarem und gemeinnützigem Wohnraum

Die Stadt Bremen verfolgt verschiedene Strategien zur Schaffung und Sicherung von bezahlbarem Wohnraum. Dazu zählen:

  • Neubau von Sozialwohnungen
  • Kooperation mit Wohnungsbaugesellschaften
  • Stadtentwicklung mit sozialer Durchmischung

Ein zentrales Instrument soll hierbei die Wiederbelebung des gemeinnützigen Wohnungsbaus sein. Der Paritätische fordert in seinem Armutsbericht 2023, dass die „Wohngemeinnützigkeit als rechtlicher Rahmen“ wieder eingeführt wird, um dauerhaft bezahlbaren Wohnraum zu sichern und Spekulation zu verhindern. Auch die Arbeitnehmerkammer Bremen spricht sich für eine „neue Boden- und Wohnungspolitik“ aus, die sozial orientierte Träger stärkt und kommunale Grundstücke nur noch in Erbpacht an gemeinnützige Akteure vergibt (Arbeitnehmerkammer Bremen 2023).

4.4.3 Unterstützung bei Wohnkosten

Ergänzend zum Bau bezahlbarer Wohnungen gibt es Unterstützungsmaßnahmen wie:

  • Wohngeld
  • Kostenübernahme durch das Bürgergeld
  • Hilfen bei drohender Wohnungslosigkeit

Gerade in Städten wie Bremen, wo viele Haushalte mehr als 40 % ihres Einkommens für Miete aufwenden müssen, sind diese Hilfen überlebenswichtig. Dennoch zeigt sich laut Paritätischem, dass viele Anspruchsberechtigte kein Wohngeld beantragen – u.a. wegen Unkenntnis oder bürokratischer Hürden.

4.4.4 Zentrale Ziele und Maßnahmen im Bereich Wohnen des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) im Rahmen der Armutsbekämpfung

Das BSW fordert in seinem wohnungspolitischen Programm explizit:

„Wir wollen die Gemeinnützigkeit im Wohnungsbau gesetzlich verankern. Wohnraum ist keine Ware, sondern ein Grundrecht. […] Der Staat muss den Wohnungsbau selbst organisieren oder an gemeinnützige Bauträger vergeben.“

Dadurch soll sichergestellt werden, dass Wohnungen dauerhaft mietpreisgebunden bleiben und nicht auf dem freien Markt dem Spekulationsdruck ausgesetzt sind. Gemeinnützige Wohnbauträger würden Steuervergünstigungen erhalten, dafür aber soziale Belegungsbindungen garantieren.

Die wichtigsten weiteren Forderungen im Überblick:

  • Stärkung des gemeinnützigen und kommunalen Wohnungsbaus: Das BSW will, dass größere Teile des Wohnungsmarkts wieder den Regeln der Gemeinnützigkeit unterliegen. Gemeinnützige und kommunale Wohnungsbauunternehmen sollen zinsvergünstigte Kredite und staatliche Förderung erhalten. Nach Wiener Vorbild soll das Eigenkapital kommunaler Wohnungsgesellschaften gestärkt werden, damit mehr Mietwohnungen errichtet und dauerhaft in öffentlicher Hand gehalten werden.
  • Dauerhafte Sozialbindung: Neue Sozialwohnungen sollen dauerhaft Sozialwohnungen bleiben und nicht nach einigen Jahren aus der Sozialbindung fallen.
  • Beschleunigung des Wohnungsbaus: Bauvorhaben sollen durch serielles Bauen und vereinfachte Genehmigungsverfahren für den sozialen Wohnungsbau beschleunigt werden.
  • Regulierung von Leerstand und Ferienwohnungen: Die Umwandlung von Wohnraum in Ferienwohnungen sowie der Leerstand von Wohnungen sollen streng reguliert werden, um dem Wohnraummangel entgegenzuwirken.
  • Mietendeckel und Mietenstopp: Das BSW fordert einen bundesweiten Mietendeckel und will die Mieten in angespannten Regionen bis 2030 einfrieren. Sanierungskosten sollen in dieser Zeit vollständig von den Vermietern getragen werden. Außerdem sollen neue Gesetze gegen Mietwucher und überhöhte Mieten bei möblierten Zimmern eingeführt werden.
  • Investitionen in günstigen Wohnraum: Statt das Wohngeld weiter zu erhöhen, setzt das BSW auf staatliche Investitionen in den Neubau günstiger Mietwohnungen.
  • Grunderwerbsteuerbefreiung: Für das erste, selbstgenutzte Eigenheim soll die Grunderwerbsteuer entfallen, um den Erwerb von Wohneigentum für breite Bevölkerungsschichten zu erleichtern.
  • Eindämmung von Spekulation: Die Spekulation mit Bauland soll eingedämmt werden, um Grundstücke für den Wohnungsbau verfügbar und bezahlbar zu halten.

4.5 Quartiersbezogene Ansätze: Mehr als nur Wohnraum

In Bremen manifestiert sich soziale Ungleichheit nicht nur individuell, sondern auch räumlich. Stadtteile und Quartiere wie Gröpelingen, Tenever und Bremerhaven-Lehe weisen eine hohe Armutsdichte auf. Diese Konzentration von Armut führt zu einer Vielzahl von Herausforderungen, darunter geringere Bildungs- und Beschäftigungschancen, schlechtere Gesundheitsversorgung und eingeschränkte soziale Teilhabe.

4.5.1 Programme zur Förderung benachteiligter Quartiere

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, setzt Bremen auf quartiersbezogene Programme:

  • „Lebendige Quartiere“: Dieses Programm zielt darauf ab, Nachbarschaftsnetzwerke zu stärken, kulturelle Teilhabe zu fördern und Bildungs- sowie Freizeitangebote auszubauen. Durch die Unterstützung lokaler Initiativen soll der soziale Zusammenhalt in benachteiligten Stadtteilen gestärkt werden.
  • „Ankommen im Quartier“: Hierbei handelt es sich um ein Integrationsprogramm, das Geflüchtete und Zugewanderte beim Einstieg in die Gesellschaft unterstützt. Es bietet Orientierungshilfen und fördert das Zusammenleben in den Quartieren.
  • Investitionen in soziale Infrastruktur: Der Ausbau von Schulen, Kindertagesstätten, Gesundheitszentren und Bürgerhäusern in benachteiligten Stadtteilen ist ein zentraler Bestandteil der quartiersbezogenen Ansätze. Diese Einrichtungen dienen als Anlaufstellen für Bildung, Gesundheit und soziale Dienste.

Die Arbeitnehmerkammer Bremen betont, dass „Stadtteilpolitik als Armutsprävention“ betrachtet werden muss und fordert eine dauerhafte Finanzierung solcher Projekte. Die Integration sozialer Dienstleistungen in den Wohnraum, beispielsweise durch Quartiersbüros, soll den Zugang für Betroffene erleichtern.

4.5.2 Politische Forderungen des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) setzt sich für eine Politik ein, die soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Vernunft miteinander verbindet. In Bezug auf quartiersbezogene Ansätze fordert das BSW:

  • Stärkung gemeinnütziger Träger: Das BSW lehnt Privatisierungen im Bereich Wohnen, Pflege und Gesundheit ab und fordert, dass gemeinnützige Anbieter Vorrang erhalten. Dies soll sicherstellen, dass soziale Dienstleistungen im Interesse der Allgemeinheit erbracht werden.
  • Investitionen in öffentliche Infrastruktur: Das BSW plädiert für massive Investitionen in das Bildungssystem, die öffentliche Infrastruktur und die Verwaltungen, um die Lebensbedingungen in benachteiligten Quartieren zu verbessern.
  • Förderung sozialer Teilhabe: Durch die Unterstützung von Nachbarschaftsnetzwerken und lokalen Initiativen soll die soziale Teilhabe der Bewohner:innen gestärkt werden.

4.5.3 Erkenntnisse des Paritätischen Wohlfahrtsverbands

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hebt hervor, dass Armut das größte Gesundheitsrisiko darstellt. Eine aktive kommunale Gesundheitspolitik erfordert besser koordinierte Förderstrategien für Quartiere, in denen viele Menschen mit geringem Einkommen leben. Dazu gehören:

  • Gesundheitsförderung in Kitas und Schulen: Frühzeitige Präventionsmaßnahmen sollen die gesundheitliche Chancengleichheit verbessern.
  • Aufbau von Gesundheitszentren: Niedrigschwellige Angebote in den Quartieren sollen den Zugang zur Gesundheitsversorgung erleichtern.
  • Unterstützung lokaler Initiativen: Die Förderung von Projekten, die sich für die soziale Integration und Nachbarschaftshilfe einsetzen, ist entscheidend für den Zusammenhalt in den Quartieren.

4.5.4 Fazit

Quartiersbezogene Ansätze sind ein wesentlicher Bestandteil der Armutsbekämpfung in Bremen. Durch die Kombination von Investitionen in soziale Infrastruktur, Unterstützung gemeinnütziger Träger und Förderung lokaler Initiativen können die Lebensbedingungen in benachteiligten Stadtteilen nachhaltig verbessert werden. Die politischen Forderungen des BSW sowie die Erkenntnisse der Arbeitnehmerkammer Bremen und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands unterstreichen die Bedeutung einer integrierten und gemeinwohlorientierten Stadtteilpolitik.

Bremen steht vor der Herausforderung, sozialen Wohnungsbau nicht nur auszubauen, sondern dauerhaft zu sichern. Dies gelingt nur durch eine stärkere Orientierung an Gemeinwohlzielen, wie sie vom Bündnis Sahra Wagenknecht und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband gefordert wird. Die Reaktivierung der Wohngemeinnützigkeit könnte dabei einen entscheidenden Beitrag leisten – weg vom Markt, hin zur Versorgung aller mit menschenwürdigem Wohnraum. In Kombination mit quartiersbezogenen Strategien und sozialer Infrastruktur bietet diese Politik einen wirkungsvollen Hebel zur nachhaltigen Armutsbekämpfung.

4.6 Familienförderung: Unterstützung für Familien und Alleinerziehende

Die (finanzielle) Unterstützung von Familien, insbesondere von Alleinerziehenden, ist ein zentraler Baustein im Kampf gegen Armut in Bremen und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten.

4.6.1 Zentrale Ziele und Maßnahmen der Familienpolitik des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) im Rahmen der Armutsbekämpfung

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) setzt sich für eine Politik ein, die soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Vernunft miteinander verbindet. In Bezug auf Familienförderung fordert das BSW:

  • Kostenloses Mittagessen in Kitas und Schulen: Alle Kinder sollen einen Anspruch auf ein kostenfreies, gesundes Mittagessen in Bildungseinrichtungen erhalten.
  • Investitionsprogramm „Kinder und Bildung“: Der Bund soll gezielt in Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur, Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen, Bibliotheken, Sportstätten und Musikschulen investieren, insbesondere in benachteiligten Kommunen.
  • Kostenlose Ferienbetreuung: Für Kinder soll eine staatlich finanzierte, kostenfreie und qualitativ hochwertige Ferienbetreuung angeboten werden, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern.
  • Staatliche Förderung des Vereinssports: Der Bund übernimmt die Gebühren für das erste Jahr der Mitgliedschaft eines Kindes in einem Sportverein.
  • Ausbau und Verbesserung der Kinderbetreuung: Das BSW fordert den flächendeckenden Ausbau von Ganztagsangeboten, Hort- und Ferienbetreuung, auch mit kostenlosen Angeboten im Bereich Sport, Kunst und Musik.
  • Anerkennung von Erziehungs- und Pflegezeiten: Zeiten der Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen sollen bei der Rente stärker anerkannt werden.
  • Stärkere Beteiligung von Unternehmen an Kinderbetreuung: Unternehmen sollen stärker in die Pflicht genommen werden, sich an der Kinderbetreuung zu beteiligen; im Gegenzug sind steuerliche Vorteile vorgesehen.
  • Steuerliche Gerechtigkeit für Kinder: Der steuerliche Freibetrag für Kinder von Gutverdienenden soll an das Kindergeld für Geringverdienende angeglichen werden.

4.6.2 Erkenntnisse der Arbeitnehmerkammer Bremen und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands

Die Arbeitnehmerkammer Bremen betont die Notwendigkeit einer umfassenden Familienförderung, die über finanzielle Unterstützung hinausgeht. Sie fordert eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch den Ausbau von Betreuungsangeboten und flexiblen Arbeitszeitmodellen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband hebt hervor, dass Armut das größte Gesundheitsrisiko darstellt und eine aktive kommunale Gesundheitspolitik erfordert. Dazu gehören unter anderem Gesundheitsförderung in Kitas und Schulen sowie der Aufbau von Gesundheitszentren in benachteiligten Stadtteilen.

4.6.3 Fazit

Die Förderung von Familien, insbesondere von Alleinerziehenden, ist ein wesentlicher Bestandteil der Armutsbekämpfung in Bremen. Durch die Kombination von finanzieller Unterstützung, Investitionen in soziale Infrastruktur und Förderung gemeinnütziger Träger können die Lebensbedingungen von Familien nachhaltig verbessert werden. Die politischen Forderungen des BSW sowie die Erkenntnisse der Arbeitnehmerkammer Bremen und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands unterstreichen die Bedeutung einer integrierten und gemeinwohlorientierten Familienpolitik.

5. Herausforderungen und Ausblick

Trotz zahlreicher Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut in Bremen stehen der Stadt und den verantwortlichen Akteuren weiterhin erhebliche Herausforderungen bevor. Um Armut nachhaltig zu überwinden und die Lebensbedingungen der betroffenen Menschen zu verbessern, sind tiefgehende strukturelle Veränderungen notwendig. Diese Veränderungen müssen jedoch auf mehreren Ebenen angegangen werden – von der lokalen bis zur Bundesebene. Im Folgenden werden die wichtigsten Herausforderungen beschrieben und ein Ausblick auf mögliche Lösungsansätze gegeben.

5. 1 Begrenzte Handlungsmöglichkeiten auf Landesebene

Die Armutsbekämpfung in Bremen steht vor der Herausforderung, dass viele der Ursachen von Armut nicht nur auf lokaler, sondern auch auf bundespolitischer Ebene angesiedelt sind. Bremen ist in vielen Bereichen auf eine enge Zusammenarbeit mit der Bundesregierung angewiesen, um eine umfassende Strategie zur Armutsbekämpfung umzusetzen.

  • Rentenpolitik: Ein zentraler Punkt für die Bekämpfung von Altersarmut ist die Rentenpolitik. In Bremen ist besonders die Gruppe der Rentner:innen von Armut betroffen, da die Renten in vielen Fällen nicht ausreichen, um ein würdiges Leben zu führen. Während auf Landesebene Versuche unternommen werden, die Grundsicherung im Alter zu verbessern, sind grundlegende Reformen der Rentenversicherung auf Bundesebene erforderlich. Dazu gehört eine nachhaltige Sicherung der Rente, die Einführung von Höheren Mindestlöhnen sowie die Förderung von Betriebsrenten, um die Einkommenssituation der älteren Generation zu verbessern.
  • Familienpolitik: Auch die Familienpolitik, insbesondere in Bezug auf Kinderarmut, ist weitgehend eine Bundesangelegenheit. Trotz einzelner Initiativen wie dem Kinderzuschlag oder dem Bildungs- und Teilhabepaket, sind die finanziellen Belastungen, die Familien aus einkommensschwachen Verhältnissen tragen müssen, oft zu hoch. Eine vollständige Reform der Familienpolitik, die Kinder aus armen Haushalten gezielt fördert und Eltern finanziell entlastet, ist notwendig, um langfristig die Armutsquote zu senken. Hier sind politische Maßnahmen auf der Bundesebene gefragt, die den Weg für eine gerechtere Einkommensverteilung ebnen.
  • Sozial- und Arbeitsmarktpolitik: Auch der Arbeitsmarkt ist auf Bundesebene maßgeblich beeinflusst. In Bremen sind besonders prekäre Arbeitsverhältnisse und der Niedriglohnsektor ein zentraler Treiber für Armut. Während auf Landesebene Programme zur Unterstützung von Arbeitslosen und geringqualifizierten Arbeitskräften angeboten werden, ist eine Reform des Bundesarbeitsmarktsystems erforderlich, um diese Probleme nachhaltig zu lösen. Dazu gehört unter anderem die Förderung von Bürgergeld und die Anpassung von Hartz IV, um Arbeitslose besser zu integrieren.

Da viele der entscheidenden Hebel in der Hand der Bundesregierung liegen, bleibt es für Bremen eine zentrale Herausforderung, eine stärkere politische Aufmerksamkeit und Unterstützung auf Bundesebene zu erlangen.

5.2 Notwendigkeit einer umfassenden Strategie

Um Armut nachhaltig zu bekämpfen, ist eine umfassende, integrierte Strategie erforderlich, die alle relevanten gesellschaftlichen Bereiche berücksichtigt. Armut ist ein vielschichtiges Problem, das nicht nur finanzielle Unterstützung erfordert, sondern auch gezielte Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Arbeitsmarkt, Wohnen und soziale Integration braucht. Eine isolierte Betrachtung dieser Themen führt oft zu wenig nachhaltigen Erfolgen.

  • Verzahnung von Arbeitsmarkt-, Bildungs-, Wohnungs- und Sozialpolitik: Die verschiedenen Politiken müssen miteinander verzahnt werden, um Synergieeffekte zu erzielen. So muss beispielsweise die Arbeitsmarktpolitik nicht nur Arbeitsplätze schaffen, sondern auch sicherstellen, dass Menschen aus benachteiligten Verhältnissen durch Bildungs- und Qualifizierungsangebote in die Lage versetzt werden, diese Arbeitsplätze zu besetzen. Ebenso müssen Wohnungsbaupolitik und Sozialpolitik Hand in Hand gehen, um den Zugang zu bezahlbarem Wohnraum zu sichern und gleichzeitig die finanzielle Unterstützung von einkommensschwachen Haushalten zu gewährleisten. Hierfür sind innovative Programme nötig, die beispielsweise Job- und Wohnungsbauprojekte kombinieren, die den Übergang aus der Armut in ein selbstbestimmtes Leben fördern.
  • Frühzeitige Intervention und Prävention: Eine erfolgreiche Armutsbekämpfung erfordert auch präventive Maßnahmen, die bereits in frühen Lebensphasen ansetzen. Dazu gehört eine verstärkte Förderung der frühkindlichen Bildung, der Schulbildung und der beruflichen Weiterbildung, um die Armut von Generation zu Generation zu verhindern. Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien müssen die gleichen Chancen erhalten wie ihre wohlhabenderen Mitmenschen. Gleichzeitig müssen sie in den Arbeitsmarkt integriert werden, indem ihnen durch praxisorientierte Programme ein leichterer Einstieg in den Berufsalltag ermöglicht wird.
  • Langfristige Perspektiven: Um Armut langfristig zu überwinden, sind auch langfristige Perspektiven und Zukunftsinvestitionen nötig. Dies betrifft nicht nur den Ausbau von Bildungsinstitutionen und Weiterbildungsmöglichkeiten, sondern auch den Aufbau von digitaler Infrastruktur, die es den Bewohnern von Stadtteilen mit hohen Armutsraten ermöglicht, an der modernen Arbeitswelt teilzuhaben. In einer zunehmend digitalen Welt muss die Stadt Bremen sicherstellen, dass auch sozial benachteiligte Menschen Zugang zu den Technologien und Bildungsressourcen haben, die für eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt notwendig sind.

5.3 Forderung nach mehr politischer Aufmerksamkeit und gezielten Maßnahmen zur Armutsbekämpfung

Eine der größten Herausforderungen bei der Bekämpfung von Armut in Bremen ist die politische Aufmerksamkeit. Obwohl Armut ein zentrales Problem in der Stadt darstellt, wird das Thema oft nicht ausreichend priorisiert. Viele Maßnahmen, die auf den ersten Blick als Lösungen erscheinen, sind nur temporär oder nicht konsequent genug, um Armut nachhaltig zu bekämpfen.

  • Politische Bewusstseinsbildung: Um diese Herausforderung zu überwinden, muss auf politischer Ebene mehr Bewusstsein für die Komplexität und Tragweite von Armut geschaffen werden. Es gilt, die Zusammenhänge zwischen Armut und anderen sozialen Problemen wie Bildung, Gesundheit und sozialer Isolation zu erkennen und daraus eine ganzheitliche Armutsstrategie abzuleiten. Politische Akteure müssen sich stärker auf die Schaffung von Strukturen konzentrieren, die den Ausstieg aus der Armut langfristig ermöglichen.
  • Gezielte politische Maßnahmen: Um die Armutsquote in Bremen nachhaltig zu senken, sind gezielte politische Maßnahmen erforderlich, die nicht nur die Symptome bekämpfen, sondern auch die Ursachen angehen. Dies könnte unter anderem durch höhere Investitionen in soziale Infrastrukturen, die Förderung von fairen Arbeitsplätzen und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum geschehen. Weiterhin müssen mehr soziale Projekte auf Quartiersebene unterstützt werden, um die soziale Integration der benachteiligten Bevölkerung zu fördern.
  • Verstärkte Zusammenarbeit auf allen politischen Ebenen: Die Zusammenarbeit zwischen der Landesregierung, den Kommunen und der Bundesregierung ist für eine effektive Armutsbekämpfung von entscheidender Bedeutung. Nur durch einen interdisziplinären Ansatz, der Arbeitsmarkt-, Sozial-, Bildungs- und Wohnungspolitik miteinander verbindet, können die tieferliegenden strukturellen Probleme, die Armut verursachen, langfristig gelöst werden.

5.4 Ausblick

Der Ausblick auf die Armutsbekämpfung in Bremen ist mit einer Mischung aus Hoffnung und Herausforderungen verbunden. Es gibt bereits viele positive Ansätze und Initiativen, doch die tiefgreifenden Ursachen von Armut erfordern weiterhin massive politische Anstrengungen. Angesichts der begrenzten Handlungsmöglichkeiten auf Landesebene und der Komplexität des Problems ist es wichtig, eine langfristige, ganzheitliche Strategie zu entwickeln, die verschiedene gesellschaftliche Sektoren miteinander verknüpft.

Ein wichtiger Schritt wird sein, die politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit für Armut weiter zu schärfen und auf allen Ebenen zu koordinieren. Nur so kann Armut in Bremen auf Dauer verringert und schließlich überwunden werden.

6. Schluss

Insgesamt zeigt sich, dass Armut in Bremen ein vielschichtiges Problem darstellt, das verschiedene gesellschaftliche Bereiche betrifft. Die Höhe der Armutsquote von 25,9 % im Jahr 2024 erfordert eine ganzheitliche und langfristige Strategie zur Armutsbekämpfung, die sowohl auf strukturelle Reformen als auch auf gezielte Maßnahmen für benachteiligte Gruppen setzt. Die Betrachtung der verschiedenen Handlungsfelder wie Sozialleistungen, Arbeitsmarktpolitik, Bildung, Wohnungsbau, Quartiersentwicklung und Familienförderung verdeutlicht, dass es nicht nur darum geht, kurzfristige Entlastungen zu schaffen, sondern auch die Ursachen von Armut langfristig zu bekämpfen.

Die Armutsentwicklung ist als strukturelles Problem zu verstehen und letztlich das Ergebnis jahrzehntelanger neoliberaler Politik: Marktgläubigkeit, Privatisierung und Sparzwänge – oft auf Kosten der Schwächsten. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Armut ist längst kein Randphänomen mehr. Besonders erschreckend ist, dass Erwerbstätigkeit keinen ausreichenden Schutz mehr bietet. Das ist das direkte Ergebnis der Deregulierung des Arbeitsmarktes, des Niedriglohnsektors und der immer weiter verbreiteten prekären Beschäftigung. Arbeit kann arm machen – und das zeigt der Bericht eindrucksvoll. Besonders alarmierend ist, dass etwa jeder vierte arme Mensch in Deutschland erwerbstätig ist. In Bremen, wo die Armutsquote im Jahr 2024 bei 25,9 % liegt, ist dies besonders sichtbar. Die bundesweite Armutsquote lag im Jahr 2023 bei 15,5 %, was rund 13,2 Millionen Menschen betrifft, von denen ein beträchtlicher Teil trotz Arbeit in Armut lebt.

Die Betrachtung der verschiedenen Handlungsfelder wie Sozialleistungen, Arbeitsmarktpolitik, Bildung, Wohnungsbau, Quartiersentwicklung und Familienförderung verdeutlicht, dass es nicht nur darum geht, kurzfristige Entlastungen zu schaffen, sondern auch die Ursachen von Armut langfristig zu bekämpfen. Ein besonders dringendes Thema ist die Wohnkostenbelastung, da 29,3 % der Bremer Bevölkerung nach Abzug der Wohnkosten armutsgefährdet sind – ein weiteres Symptom der sozialen Spaltung.

Die Sozialleistungen spielen eine zentrale Rolle, indem sie das existenzsichernde Minimum gewährleisten. Insbesondere das Bürgergeld und die Grundsicherung im Alter bieten wichtige Stützen, jedoch ist eine Weiterentwicklung und Anpassung an die aktuellen Herausforderungen unumgänglich. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) fordert eine leistungsstärkere Arbeitslosenversicherung und ein reformiertes Rentensystem, um den sozialen Sicherheitsnetzwerken gerecht zu werden. Auch die Forderung nach einer Kindergrundsicherung zielt darauf ab, die sozialen Ungleichheiten im Kindesalter zu überwinden.

Im Bereich der Arbeitsmarktpolitik ist es besonders wichtig, den Zugang zu stabilen und fair bezahlten Arbeitsplätzen zu verbessern. Programme wie „Bremen for Jobs“ und Qualifizierungsmaßnahmen tragen dazu bei, Menschen aus prekären Beschäftigungen oder Langzeiterwerbslosigkeit wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Politische Reformen wie die Erhöhung des Mindestlohns und die Abschaffung sachgrundloser Befristungen sind notwendig, um eine nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu erzielen.

Ein weiteres zentrales Thema ist die Verbesserung der Bildungsangebote, um Chancengleichheit zu fördern und der Vererbung von Armut entgegenzuwirken. Frühkindliche Förderung, Sprachförderung und gezielte Programme für benachteiligte Jugendliche sind essenziell, um den Bildungsweg von Kindern und Jugendlichen aus einkommensschwachen Familien zu unterstützen.

Im Bereich des Wohnungsbaus ist eine stärkere Förderung von sozialem Wohnungsbau sowie die Unterstützung bei den Wohnkosten notwendig, um der steigenden Belastung durch hohe Mieten zu begegnen und die Wohnsituation von einkommensschwachen Haushalten zu verbessern. Quartiersbezogene Ansätze, die auf die Verbesserung der sozialen Infrastruktur und die Förderung von Nachbarschaftsnetzwerken setzen, haben sich als wirksame Maßnahmen erwiesen, um Armut lokal zu bekämpfen.

Nicht zuletzt spielt auch die Familienförderung eine Schlüsselrolle. Durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie gezielte finanzielle Unterstützung können vor allem Alleinerziehende und einkommensschwache Familien besser in die Gesellschaft integriert und ihre Existenzgrundlage gesichert werden.

Die Armutsbekämpfung in Bremen erfordert somit einen koordinierten Ansatz, der sowohl auf individuelle Entlastung als auch auf strukturelle Veränderungen abzielt. Es bedarf einer engen Zusammenarbeit zwischen politischen Akteuren, sozialen Einrichtungen und der Zivilgesellschaft, um Armut nicht nur zu lindern, sondern langfristig zu verhindern.

Kennzahlen zur Armut in Bremen

KennzahlWert (Jahr)Quelle
Armutsquote Land Bremen25,9 % (2024)Paritätischer Armutsbericht 2024, familiennetz-bremen.de; butenunbinnen.de
Armutsquote Land Bremen (2022, rückblickend)29,1 % (2022)Paritätischer Armutsbericht 2024, paritaet-bremen.de; Weser Kurier
Armutsquote Stadt Bremen27,4 % (2023)Arbeitnehmerkammer Bremen, KammerKompakt März 2025
Armutsgrenze (1-Person-Haushalt, Bremen)1.247 € netto/Monat (2023)Arbeitnehmerkammer Bremen, KammerKompakt März 2025
Menschen mit Mindestsicherungsleistungen Bremen121.448 (2023)Arbeitnehmerkammer Bremen, KammerKompakt März 2025
Arbeitslosenquote Bremen11,6 % (April 2025)Eigene Recherche
Besonders betroffene
Gruppen
Familien, Ältere,
Alleinerziehende, Kinder
Arbeitnehmerkammer Bremen, KammerKompakt März 2025
Armutsquote in Bremerhaven30,1 % (2024)Paritätischer Armutsbericht 2025, familiennetz-bremen.de
Armutsgefährdung durch hohe Wohnkosten29,3 % der Bevölkerung (2023)Arbeitnehmerkammer Bremen, KammerKompakt März 2025
Altersarmut Bremenca. 25 % der über 65-Jährigen
betroffen (2024)
Paritätischer Armutsbericht 2024, Arbeitnehmerkammer Bremen


Literatur- und Quellenhinweise:

  • Arbeitnehmerkammer Bremen (2023): Teilhabe durch Arbeit – Impulse für eine soziale Arbeitsmarktpolitik in Bremen. Arbeitnehmerkammer Bremen, Bremen.
  • Arbeitnehmerkammer Bremen (2024): Bericht zur Lage im Land Bremen 2024. Arbeitnehmerkammer Bremen, Bremen.
  • Arbeitnehmerkammer Bremen (2025): Bericht zur Lage im Land Bremen 2025. Arbeitnehmerkammer Bremen, Bremen.
  • Bündnis Sahra Wagenknecht (2024): Grundsatzprogramm – Soziale Sicherheit und gute Arbeit für alle. Bündnis Sahra Wagenknecht, Berlin.
  • Bündnis Sahra Wagenknecht (2024): Soziale Sicherheit für alle – Unser Konzept für die Armutsbekämpfung in Deutschland. Bündnis Sahra Wagenknecht, Berlin.
  • Bündnis Sahra Wagenknecht: Landesverband Bremen. Bündnis Sahra Wagenknecht, Bremen.
  • Bündnis Sahra Wagenknecht: Wahlprogramm 2025. Bündnis Sahra Wagenknecht, Berlin.
  • Der Paritätische Gesamtverband (2025): Der Paritätische Armutsbericht. Der Paritätische Gesamtverband, Berlin.
  • Der Paritätische Gesamtverband: Bildungs- und Teilhabepaket. Der Paritätische Gesamtverband, Berlin.
  • Paritätischer Wohlfahrtsverband (2023): Armutsbericht 2023 – Die soziale Lage in Bremen und Deutschland. Paritätischer Wohlfahrtsverband, Bremen.
  • Paritätischer Wohlfahrtsverband Bremen: 4. Bremer Armutskonferenz: Blick in die Quartiere. Paritätischer Wohlfahrtsverband Bremen, Bremen.
  • Senatorin für Kinder und Bildung Bremen: Startchancen-Programm. Senatorin für Kinder und Bildung Bremen, Bremen.
  • Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen Bremen (2021): Lebenslagen im Land Bremen – 3. Bericht des Senats der Freien Hansestadt Bremen 2021. Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen Bremen, Bremen.

Bremen, Mai 2025

https://manfredsteglich.de/wp-content/uploads/2025/10/gemeinsam-gegen-armutfin.pdf

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