Proust lesen

Man hat oft gesagt, Proust sei schwer zu lesen. Vielleicht liegt diese Schwierigkeit gerade darin, dass er es wagt, uns beim Lesen nicht zu unterhalten, sondern zu beunruhigen – uns an jene Schwellen zu führen, an denen das Gewöhnliche seine Selbstverständlichkeit verliert. Ein Geruch, ein Sonnenreflex auf einer Mauer, eine flüchtige Geste: Alles kann sich öffnen und eine andere Zeit in unsere Gegenwart einbrechen lassen.

Proust zu lesen heißt, mit der eigenen Vergänglichkeit Freundschaft zu schließen. Und in dieser Freundschaft die Spuren eines tieferen Lebens zu erkennen, das sich nicht im Ereignis, sondern im Echo offenbart. In der Kunst, die Schatten der verlorenen Zeit zu lesen – und zu leben.

© 2025 Manfred Steglich
Verlag: BoD, Überseering 33, 22297 Hamburg, bod@bod.de
Druck: Libri Plureos GmbH, Friedensallee 273, 22763 Hamburg
138 Seiten, 20 Euro
ISBN: 978-3-8192-60605

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