Sehr geehrte Mitglieder des Wahlprüfungsausschusses,
als Sozialwissenschaftler mit langjährigen Erfahrungen in empirischer Sozialforschung und Statistik, möchte ich meiner tiefen Sorge Ausdruck verleihen, dass das derzeitige Verfahren zur Prüfung der Bundestagswahlergebnisse unnötig verzögert wird – mit potenziell schädlichen Folgen für das Vertrauen in unsere demokratischen Institutionen. Meine Sorge gilt dabei nicht parteipolitischen Interessen, sondern der methodischen und demokratischen Integrität des Wahlvorgangs.
Alle vorliegenden Erkenntnisse aus Stichproben, Routineprüfungen und wissenschaftlichen Analysen deuten auf mögliche Zählabweichungen hin, deren Umfang ausreicht, um das Bundestagswahlergebnis in sensiblen Bereichen – insbesondere im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Hürde – zu beeinflussen. Nach aktuellem Datenstand handelt es sich um eine Differenz von rund 9.500 Stimmen, bei der bereits kleinere Fehler systemisch bedeutsam werden können. Aus statistischer Sicht entspricht dies einer Konstellation, in der eine methodisch saubere und bundesweite Neuauszählung nicht nur gerechtfertigt, sondern zwingend geboten ist.
Eine zügige Entscheidung ist deshalb erforderlich,
- um die Möglichkeit einer Neuauszählung noch innerhalb eines akzeptablen Zeitrahmens zu gewährleisten,
- um die Transparenz des Wahlverfahrens zu sichern, und
- um zu verhindern, dass verzögerte Verfahren den Eindruck politischer Einflussnahme erwecken.
Das Vertrauen in die Integrität demokratischer Wahlen wird dann gestärkt, wenn sorgfältige Prüfung mit zeitnaher Entscheidungsfindung einhergeht. Gerade knappe Ergebnisse müssen über jeden Zweifel erhaben sein. Eine weitere Verzögerung hingegen birgt das Risiko, demokratiefeindliche Narrative zu befeuern und das Ansehen des Parlaments zu schwächen.
Ich appelliere daher eindringlich an den Ausschuss, den Entscheidungsprozess zu beschleunigen und zeitnah über eine bundesweite Neuauszählung zu befinden. Eine solche Maßnahme ist nicht nur wissenschaftlich geboten – sie ist Ausdruck des Respekts vor der Souveränität des Wählers und eine demokratische Notwendigkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Steglich
Dipl.-Sozialwissenschaftler
Universität Bremen

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